Rodeiro - Lalín

Mit den Jahren lernt man auf den Camino eine Menge Dinge:

Lass dir keine Bar entgehen, denn du weißt nie, wann die nächste kommt!

Trink genug! (Keine schöne Erinnerung: Im letzten Jahr auf dem Camino Primitivo war ich einmal so dehydriert, dass ich trotz strahlendem Sonnenschein angefangen habe, vor Kälte zu zittern!)

Such dir einen Schlafplatz am Fenster und möglichst in der Nähe eines Stockgehers, damit du dessen Stöcke notfalls als Argumentationshilfe gegen einen fensterschließwütigen Spanier nutzen kanns!

Leg deinen Rucksack weder auf noch unter das Bett!

Leg dich selbst gar nie nicht jemals in ein Bett, wenn es darin bereits Leben gibt!

...

Setzt dir nur dann ungezuckert und noch nicht ausreichend koffeiniert den Rucksack auf, wenn es gar nicht anders geht!

 

Also frühstücke ich noch in der Herberge (wie soll ich mir das nur daheim wieder abgewöhnen?!) und mach mich dann auf die Socken. Ein bisschen schwer fällt es mir ja schon zu gehen. Es war wirklich schön hier, so schön, dass ich mir gut vorstellen könnte, hier einfach einen Tag im Bett zu vertrödeln!  Aber es nutzt ja nix: Am 15. Juni kommen Thomas und Freunde von uns nach Santiago, damit wir gemeinsam nach Finisterre gehen, und darauf freue ich mich wie Bolle!

Heute führt mich der Camino durch eine Region, die Pedroso genannt wird (von Pedra - Stein) und in der es ziemlich viele ziemlich gute Steinmetze gab. Sie hinterließen ihre Spuren u. a. in Form von wunderschönen Kreuzen auf Häusern und Hórreos.

Im absoluten Gegensatz dazu begrüßt mich in Panela eine ziemlich ... eigenartige Gedenkstätte, geschaffen von einem Herrn, der ... - wie soll ich das beschreiben, ohne ihm etwas zu unterstellen, wovon ich nicht weiß, ob es stimmt, weil ich ihn ja nicht kenne, aber doch den Eindruck habe, dass es so ist, weil er einfach auf den ausgestellten Fotos so aussieht ... - ... nicht so aussieht, als dass ich mit ihm befreundet sein wollen würde. Jedenfalls geht es in all den Dokumenten, die er hier so hingepflastert hat um einen Rechtsstreit um die Rechte an einem Wasserlauf, den er unübersehbar und sehr triumphierend gewonnen hat.

 

Nein, meine Lieben, tut mir leid: Das geht für mich gar nicht! Man legt sich nicht mit seinen Nachbarn wegen etwas an, an dem es keine Rechte geben sollte! Und am Ende ist man auch noch stolz, wenn man die Auseinandersetzung gewonnen hat? Im Ernst? - Wie klein ist das denn!

 

Darum zeige ich euch hier auch nicht diesen dämlichen Schrein, sondern lieber den schönen Balkon direkt daneben: Ich finde, da fehlt nur noch Julia drauf und Romeo darunter, der seine Angebetete anschmachtet! - Hach, DIESE Vorstellung ist doch eine, die mein kitschiges Pilgerherz viel mehr berührt!

 

 

In einem Dorf unterwegs kommt mir eine Kuhherde entgegen und ich ... stehe auf der Straße und breche sehr zum Erstaunen der Bäuerin in lautes Lachen aus: Genau das ist Thomas und mir an unserem allerersten Tag auf unserem allerersten Camino auch passiert! Und wie hier sind die vierbeinigen Rindviehcher schön ordentlich in Reih und Glied an uns zweibeinigen Rindviehchern vorbeigestackst und haben uns argwöhnisch aus sicherem Abstand beäugt!

 

Mein Ankommen in Lalin ist ein bisschen nicht ganz einfach: Es gibt zwei Wegmarkierungen, eine folgt der Einfallstraße, eine zweite, und klug, wie ich bin, nehme ich die, führt in einem gefühlt weiten Bogen um den Ort herum und wieder zurück. Beide enden allerdings zunächst an der Capilla de San Martin, die aus dem 1019 stammt und an der seither nicht viel verändert worden ist. Wie schade, dass ich sie nicht betreten kann!

 

Lalín rühmt sich dafür, der 0-Punkt Galiciens zu sein (was - Klugscheißermodus ein - nicht so ganz richtig ist - Klugscheißermodus aus) und ist so stolz auf sein Schweinefleisch, dass es dem Borstentier, das sie genussvoll verzehren, sogar eine Statue gewidmet hat!

 

Anfangs fühle ich mich in dieser Stadt ehrlich gesagt ein bisschen nicht sehr willkommen, was aber sicher mehr an mir selbst liegt. Dann lande ich in einem netten kleinen Cafe und bekomme auf meine Frage nach der hiesigen Herberge von der Bedienung eine Reaktion, die mich schier dahinschmelzen lässt: Herberge? Moment! - Weg isse, kommt aber gleich wieder und hat schon ein Telefon am Ohr, palavert und palavert, legt auf und strahlt mich an: Du wirst gleich abgeholt! - Echt jetzt? Schluck. Wie lieb ist das denn?!!!!

 

Mindestens genauso lieb ist die Hospitalera und die Art, wie sie Pilger empfängt - da geht mir das Herz auf!