Chantada - Rodeiro

 

Bei meinen Recherchen im Vorfeld habe ich für die heutige Etappe wirklich keine Übernachtungsmöglichkeit unterwegs gefunden. Im Nachhinein ist mir, warum: Da ist auf viele Kilometer nichts, wo man sie einrichten könnte!

 

Durch typische ländlich-galicische Gefilde nähere ich mich dem Monte Faro, dem höchsten Punkt dieses Caminos, zu dem die gelben Pfeile einem Fahrweg hinauffolgen. Kurz vor ganz oben verlasse ich die Straße aber und steige stramm mit einem Kreuzweg hinauf zur Wallfahrtskirche Ermita da Nuestra Senora de O Faro, die sicher eigentlich richtig nett, bei mir aber leider eine einzige, große Baustelle ist. Schade, denke ich noch, dann hätte ich mir das ja auch sparen können und bei der frischen Brise hier oben ist an eine längere Pause auch nicht zu denken, aber dann finde ich auf dem Weg zurück zum Camino dieses Cruceiro und mir bleibt die Spucke weg. Ich liebe die Kreuze auf den Caminos, weil sie fast alle irgendwie sehr einzigartig sind, aber eines wie dieses habe ich noch nie vorher gesehen! Das ist halsgeknödel pur!

Anschließend geht es ein sehr, sehr langes Stück an der rechten Flanke eines Kamm mit unzähligen Windrädern entlang und vorbei am Fonte dos Meninos - eigentich nur ein überwuchertes Wasserloch, zu dem man aber vor langer, langer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, Kinder brachte, die an einer Krankheit namens "Engadino" litten, welche sich wohl in mangelnder Energie und einer Fehlstellung der Beine äußerte. Aber soll ich euch mal etwas verraten?: Es ist nicht mehr vor langer, langer Zeit, nicht mehr, als das Wünschen noch geholfen hat, und ich bin auch nicht Königstochter, jüngste, aber wäre Thomas jetzt hier, würde ich ihn glatt küssen, in der Hoffnung, dass aus ihm auf seine alten Tage doch noch ein Prinz wird. Einen Versuch wäre es mir auf alle Fälle wert und wenn nicht hier, wo dann?

 

Ach, ich weiß nicht. Ich bin heute mürrisch, müde, ungnädig ... halt einfach knatschig und beim Blick auf einen Weg, der geradeaus erneut und offensichtlich nicht bequem ansteigt, denke, 'oh bitte, da nicht auch noch rauf!' Aber dann kommt eine Straße, ich gehe über eine Brücke tatsachlich in eine andere Richtung - uff, Glück gehabt! - muss aber gleich rechts auf eben diesen Weg! Nee, ne?!!! 

 

Natürlich weiß ich, dass Wege nicht mit sich diskutieren lassen. Natürlich weiß ich, dass es jetzt rein gar nichts brächte, wenn ich meinen Rucksack von mir und mich selbst auf den Boden würfe und alle Viere von mir streckte. Natürlich weiß mein Kopf das! Aber mal eben mit eben diesem Gedanken zu spielen, kann ihm auch niemand verwehren.

 

Manchmal halte ich es ja für ziemlich kitschig, wenn Pilger sagen, der Weg gäbe jedem das, was er braucht. Mir gibt er manchmal brennende Füße, so wie gerade jetzt und hier; ich denke nicht, dass irgend jemand, auch der Weg nicht, denken könnte, dass ich das brauche. Mir gefällt auch die Vorstellung besser, dass da ein Kerl mit Bart, abgeschrubbtem Mantel, Stock und Kalebasse ein Auge auf mich hat. Gut, manchmal muss er vielleicht seine Augen auch ein bisschen ausruhen, aber gerade in diesem Moment ....

 

.... biegen die Pfeile links ab und führen mich an einem Pazo, Herrenhaus, und er Kirche Iglesia San Xoan de Camba zu einem halsknödelig schöenen Friedhof. Das klingt jetzt ein bisschen komisch, aber in Spanien gibt es meist nur viereckige Friedhöfe mit Grabwänden, die immer ein bisschen aussehen wie ... Aufbewahrungsboxen für Verstorbene. Dieser hier ist ... schön.

 

Nachdem ich mich in Monforte so fürchterlich über die Hundehalter geärgert habe, passiert mir heute etwas ganz anderes: Weil ich nun auch endlich begriffen habe, dass ich hier laufen und laufen kann und eh an keine Bar komme, suche ich mir eine nette kleine Wiese, lasse mich nieder, ziehe Schuhe und Strümpfe aus und genieße im Sonnenschein ein kleines (leider koffeinfreies) Päuschen. Es dauert nicht lange, da knattert ein älterer Senor auf einem klapprigen Mofa an mir vorbei. Gut, das ist jetzt nicht so aufregend. Joa, denke ich auch, aber dann kriege ich eine Schwitzattacke, denn ein ganzes Stück hinter ihm und jenseits aller um Hilfe ruflichen Möglichkeiten kommt sein Gefolge: drei große und gestandene Schäferhunde und einer etwas kleiner, weiß mit schwarzen Flecken (ich weiß nicht, wie diese Rasse heißt). Na klasse! Die brauchen sich noch nicht einmal die Mühe geben, an mir hoch zu springen und mich umzuwerfen, denn ich liege ja schon und bin so noch hilfloser,  als ich stehend gewesen wäre - also nicht, dass ich mir einbilde, mich stehend gegen vier Hunde verteidigen zu können. Mir wird schlagartig total flau im Magen, denn sie sehen mich mindestens genauso schnell, wie ich sie, hören freilich auch prompt auf zu rennen, bleiben stehen ... beäugen mich ... und laufen weiter! Nicht einmal auch nur den kleinsten Ton haben sie von sich gegeben ... keiner von ihnen! Und wenn ich mich wieder eingekriegt habe, kriege ich vielleicht auch wieder irgendwann Luft.

In A Feira finde ich dann noch diese "Pendelos" hier, wunderschöne Marktstände, unter deren Dächern schon vor Unzeiten Kunden und Verkäufer um die Preise feilschten - so schön!

 

Nicht ganz so schön, aber mir dennoch lieber, ist die Bar um die Ecke!

 

 

 

In Rodeiro hatte ich eigentlich in einer Pension ein Zimmer vorreserviert, aber als ich dort ankomme, fragt mich die Wirtin, ob ich nicht lieber in der Herberge schlafen möchte. Herberge? Ich wusste gar nicht, dass es hier eine Herberge gibt! - Konnte ich auch nicht, weil sie ist ganz neu, ganz frisch und wunderschön. Die drei spanischen Jungs sind auch hier, schlafen aber in einem anderen Raum; ich bekomme ein Zimmer für mich ganz alleine. Ist das nicht nett?

 

Ich glaube, das mit den Jungs muss ich jetzt doch auch mal erklären: Sie sind wirklich sehr nett und herzlich, aber wir haben ein kleines Sprachproblem, denn sie sprechen leider nur Spanisch und ich, das hatte ich irgendwo schon einmal erähnt, kann zwar meine drei Brocken in einen halbwegs sinnvollen Satz ordnen, bin aber komplett hilflos, wenn mir jemand antwortet. Also freuen wir uns eben einfach und sind damit ... vielleicht nicht wirklich glücklich, aber doch zufrieden.