A Pobra de Brollón - Pineiro

Es gibt Tage, die sind wie eine Bauchsauna, ein absolutes Wechselbad der Gefühle: Man macht sich nackig und hüpft von der Sauna in eine Wanne mit Eiswasser und wieder hin und wieder her! - Heute ist so ein Tag

Ich starte schon früh und auf Zehenspitzen. Ich habe keine Ahnung, wann die beiden Spanier fertig waren mit Fernsehen auf dem Handy. Ich habe mir einfach die Ohren verpfropft und mir den Buff über die Augen gezogen. Das ist meine Chinesische Mauer, hinter der ich einfach so tun kann, als gäbe es den Rest der Welt gar nicht. Ich mag das.

 

Als ich die Turnhalle verlasse, brauche ich die Türe gar nicht zu öffnen. Sie stand wohl die ganze Nacht sperrangelweit offen und keiner hat mich oder etwas von mir geklaut. Hm. Woran DAS wohl liegen mag?!

 

Leider hat die Bar von gestern noch geschlossen, so dass ich meinen Kaffeedurst erst in Monforte de Lemos stillen kann.

 

Ich mache mich nackig.

 

Über Monforte de Lemos habe ich so viel Schönes und Interessantes gelesen, dass ich ganz aufgeregt bin und mich total auf die Stadt freue.

 

Das Barrio  de San  Vincente  ist schon von ganz weit zu sehen. Kunststück, es steht ja auch ganz weit oben auf einem Berg und winkt mir wunderschön und sehr verheißungsvoll zu.

 

 

 

Ich räkel mich sehr wohlig auf den Holzbrettern im Dampfbad (wobei da tatsächlich Dampf ist, der aber aus mir selbst heraus kommt).

 

Aber diese Wohligkeit hält nicht lange an, denn der Weg beginnt sich zu ziehen. Dabei ist er nicht hässlich, nur eben ,,, gefühlt mindestens dreimal so lange wie tatsächlich ... und ich habe Kaffeedurst!

 

Jetzt kommt die erste Wanne mit Eiswasser.

 

Ich merke bald nach dem Betreten der Stadt, dass wir uns ganz offensichtlich nicht mögen. Ich bin es gewohnt, immer freundlich zu grüßen, weil mich ja auch jeder freundlich grüßt. Nach einigen "Holas" mit ohne Antwort, lasse ich sie sein. Ich bin ja anpassungsfähig.

 

Dafür konzentriere ich mich umso mehr auf die Suche nach Frühstück. Inzwischen ist es ja um die 11.00 Uhr, da sollte es doch ....

 


 

Erst an einer Treppe, die mit ihrem Cuceiro wohl das Herz der Stadt ist, werde ich fündig: Im Café selbst herrscht ein Heidentrubel und ich warte geduldig, bis man sich dazu überwinden kann, mich nicht mehr zu ignorieren. Das entpuppt sich schon als kleine Herausforderung. Ich stehe doof an der Theke herum und stehe und stehe .... Ich durchschaue das System auch einfach nicht wirklich: Die Dame hinter dem Tresen nimmt offensichtlich schon Bestellungen auf, aber nur von Herrschaften, mit denen sie einen Plausch halten kann. Für ihren Kollegen bin ich trotz Handzeichen unsichtbar. Okay, denke ich und wende mich an den Bediener, der aber wohl nur für die Tische zuständig ist. Also gehe ich raus, setze mich an den Tisch mit meinem Rucksack ... und beginne das Spiel gefühlte  10 Minuten später von vorn, aber anders: Ich stelle mich so, dass der Bediener nicht mehr bedienen kann und frage in höflichster Form, "es possible" - ich liebe diese Redewendung, mit der kann man um alles bitten und fragen. Selbst hier und jetzt, wenn auch im Widerstand gegen einen mürrischen Blick.

 

Nun denn, denke ich noch, ist halt so. Geht jetzt auch gerade nicht anders, denn sonst hat ja noch keine Gaststätte offen. Als es später noch eine kleine Diskussion wegen der Toilette gibt (erst warte ich, weil ich denke, dass sie halt besetzt ist, dann sagt mir ein Küchenhelfer, sie sei defekt, also gehe ich auf die für "Hombres" ... und fange mir prompt einen Anpfiff ein, von dem ich zum Glück nur den ungehaltenen Ton verstehe und gerne auf den Wortlaut verzichte) ... merke ich, dass ich in Sachen Bereitschaft einfach hinzunehmen noch ein gutes Stück an mir arbeiten muss.

 

 

 

Schließlich mache ich mich auf den Weg zum Barrio San Vicente. Grob ist mir der Weg freilich schon klar, denn es liegt unübersehbar oberhalb der Stadt, allerdings finde ich immer nur Wege, die um es herum und nicht nach oben führen. Was macht man, wenn man den Weg nicht findet? - Na klar, man fragt. Fragen ist für mich immer kein Problem, denn ich kann mir ja die Worte zurechtlegen, die ich aussprechen muss. Mein Problem ist immer die Antwort, denn die kommt meist sehr schnell und mit Worten, die ich eben nicht kenne. Darum hab ich immer ein bisschen Angst, dass ich, wenn ich etwas frage, eine Antwort bekomme, die ich nicht verstehe. Das brauche ich hier aber nicht, weil ich bekomme einfach keine Antwort!

 

Endlich oben angekommen, freue ich mich, dass die Kirche geöffnet ist und setze mich erst einmal auf eine der Bänke, um sie auf mich wirken zu lassen. Ich denke mir auch gar nichts Böses dabei, aaaber ... Der Aufpasser, der gerade noch fröhlich mit anderen geplauscht hat, bricht sofort sein Gespräch ab und begleitet mich nicht eben freundlich, dafür aber bestimmt wieder zur Tür: Immerhin sei jetzt Mittagspause und etwas mit später und noch ganz viel Gegrummel. - Freilich hat er Recht, freilich steht ihm die Mittagspause zu, freilich muss ich die Kirche verlassen, aber ich habe, wenn ich unterwegs bin, kein Bedürfnis, mich mit Uhrezeiten auseinanderzusetzen, und hätte die Kirche auch auf ein freundliches Wort hin verlassen, kein Thema. Unfreundliche Worte wären gar nicht notwenig gewesen und ohne sie hätten wir diese Situation sicherlich für uns beide angenehmer auflösen können!

 

Wirklich nett ist dagegen die Dame im Parador-Hotel (die ist bestimmt nicht von hier, sondern nur zugezogen!): Natürlich darf ich mir den Kreuzgang ansehen!

 

Mal eben: Weil in ganz vielen alten Klöstern diese Hotels sind, habe ich schon oft gefragt, ob ich mal gucken darf, und bin noch nie abgewiesen worden ... auch wenn ich mit meinem Aussehen und dem Rucksack nicht unbedingt zu den Zimmerpreisen und dem Ambiente passe.

 

Auf dem Weg zurück habe ich dann noch einen Zusammenstoß mit einer Hundebesitzerin: Vor mir geht ein junger Mann mit Boxer an der Leine. Vorne von links um die Ecke kommen zwei Damen. Der junge Mann bleibt stehen, ich gehe an ihm vorbei, da kommt ein Hund von den Damen auf den Boxer zugeschossen, das ist die wahre Pracht. Der junge Mann nimmt sein Kalb auf den Arm, um es zu schützen und ich denke noch, wie lustig das aussieht, aber da merkt der andere Hund, dass er an seine ursprüngliche Beute nicht herankommt, und stürmt nun auf mich zu. Na klasse! In diesem Moment würde ich dem jungen Mann am liebsten den Hund entreißen und mich an dessen Stelle in seine Arme werfen, aber der hat die Gunst der Sekunde schon ergriffen, ist mit dem Monstrum auf dem Arm verschwunden und ich muss mich meinem Schicksal und dem Kläffer alleine stellen. Joa, die beiden Damen, zu denen er gehört, sind auch noch da, aber gerade völlig mit sich und ihrem Tratsch beschäftigt. Ich schreie mehrfach zu ihnen hinunter, kreige aber nur die lapidare Antwort: Der tut nix. - Na klar! Der junge Mann trägt sein Kalb aus reiner Lust und guter Laune auf den Armen in der Gegend herum! Offensichtlich war dies nicht sein erstes Treffen mit diesem wildgewordenen Hannebambel und wie ich so stehe und die Dame so gar nicht auch nur daran denkt ihn zurückzurufen, wird mir auch klar, warum er so schnell reagierte!

 

In diesem Moment weiß ich zwar nicht, wie ich den Kläffer los werde, aber eins weiß ich ganz sicher: In dieser dämlichen Stadt bleibe ich keinen Moment länger! Hier halten sich offensichtlich alle für direkte Nachfahren des Conde Do Lemos und ich stehe in meinem Stande so tief unter ihnen, dass sie ihre Ehre ganz sicher nicht damit besudeln, sich auch nur im mindesten um mich zu scheren! ... ... ... Wobei ... ... ... Es mag ja sein, dass das mit der direkten Nachfahrenschaft schon auch richtig ist, ... was mich zu der Überlegung bringt, wie eine ganze Stadt direkte Nachfahren sein kann; das geht doch nur, wenn ... ... was dann aber auch vielleicht wieder so einiges erklären würde.

 

Entschudligung, ich bin gerade hässlich, aber diese Stadt ist wirklich nicht nett zu mir und da darf ich auch mal hässlich sein! So.

 

Ich trinke noch schnell für spanische Verhältnisse sehr teure Cola, kaufe mir noch eine sehr teure Flasche Wasser und sehe zu, dass ich Lan gewinne. Unterwegs soll es eine private Unterkunft geben, bis dahin komme ich noch und hier bleiben ist gerade so was von gar keiner Option.

 

Beim Verlassen der Stadt ist eine Dame - und ich gehe fest davon aus, dass sie es wirklich lieb meint und einfach nur zu sehr als Autofahrer als als Fußgänger denkt - so nett, mich in die falsche Richtung zu dirigieren. Aber ich weiß,  wo ich lang muss, warte, bis sie weit genug weg ist, mich nicht wie der Herr in A Rua an den Gurten meines Rucksacks zu packen und mich wie einen störrischen Esel hinter sich herzuziehen, und biege zu einem Kreisel mit Pilgerfigur ab. Auf die freue ich mich schon seit ich den Weg vorbereitet habe.

 

Ich laufe, obwohl ich Straßen nicht so mag, munter vor mich hin und bin ein bisschen tief in mir versunken, so tief, dass mir erst einfällt, dass ich mir eine Alternative ansehen wollte, als ich schon ein langes Stück daran vorbei bin. Hm. Plöd. Aber bevor ich in meinem Bauchfüßler Alternativen anbiete, muss ich schon sicher sein, dass sie auch funktionieren. Auf Straße habe ich eh keine Lust, drehe um ... und beginne irgendwann, mich zu fragen, was um alles in der Welt ich denn alles so auf dem Weg gedacht haben muss. Ich kann mich nicht daran erinnern, aber ich hatte viel, viel, vieeel Zeit, denn ich gehe lange, lange, laaange zurück. Später sehe ich auf meinem Track, dass ich just nur noch einen Hups von dem Punkt war, wo sich beide Wege wieder treffen, aber das sehe ich eben, wie gesagt, erst später und bin froh, dass ich das gerade nicht weiß, weil sonst wäre ich sicher nicht noch einmal umgekehrt und dann hätte ich wirklich einen tollen Weg verpasst!

 

Für mich ist es so ein bisschen wie eine Wiedergutmachung für dieses dämliche Monforte.

 

 

 

Ich gehe also in die wohlige Wärme der Sauna.

 

 

Ich bin ja halbwegs gut vorbereitet, finde den Einstieg auch ohne Markierung schnell und denke erst noch, dass ich mir das eigentlich hätte sparen können, aber dann wird es klasse: Das, was erst noch ein breiter, dann schmalerer, dann noch schmalerer Wirtschaftsweg war endet als kaum noch klar erkennbares Schneischen (kleine Schneise), völlig überwuchert und von Eichenschößlingen überwachsen. Es ist ein Traum! Wüsste ich nicht, dass ich eigenlich "nur" in Spanien bin, würde ich nach Affen und Papageien Ausschau halten!

 

Aufguss!

 

Dann geht es ein kurzes Stück auf einem Zufahrtsweg an einem See vorbei, bevor der wieder zu einem Pfad wird. Irgendwann denke ich, dass der Untergrund hier ja nun doch ... ein bisschen ... ein größeres bisschen ... ein bisschen deutlich .... Patsch, da stehe ich bis zu den Waden im Wasser! Das erfrischt mich nicht nur und kühlt meine inzwischen doch auch ein bisschen glühenden Füße ab, sondern es löst die ganze Anspannung in mir: In Monforte hätte ich schreien können vor Ärger, was ich freilich nicht getan habe, weil es sich auch dann nicht gehört, wenn man von allen wie Luft behandelt wird - also nicht aus Anstand den anderen gegenüber, weil die hatten ja ganz offensichtlich auch keinen Anstand mir gegenüber, sondern als Anstand mir selbst gegenüber, weil ich ja schon manchmal ziemlich verquer bin, mir im Grunde aber schon auch einbilde, zu wissen, wie man sich benimmt. Dieses nicht ausgestoßene Geschrei saß mir die ganze Zeit in der Kehle und ... Ich gucke mich um. Ich bin alleine. Niemand da, der mich sieht. Ich gucke auf meine Füße. Ich gucke in das Laubwerk über mir. Und ...

Kinders, DAS habe ich jetzt gerade gebraucht. Ich kann wieder atmen! Und es ist kein brüllen vor Zorn, sondern ein herausgekrischener Jubel: Dieser Weg ist so klasse! Ich liebe ihn! Alle Hässlichkeit wutscht mit diesem Schrei aus mir heraus und macht Platz für so viel Freude, dass ich schier platze!

 

Nur noch eins:

Nein, Monforte und ich, wir werden keine Freunde, weil mit Menschen, die Pilger stur eine Straße entlang schicken anstatt ihnen diesen Weg anzubieten, will ich nicht Freund sein. Kinders, es wäre gar kein Aufwand: Einmal mit einem Traktor durch die Schneise gefahren und man würde sie wieder klar erkennen. Pilger sind doch nicht doof und haben Augen im Kopf! Ich bin schon weniger erkennbare Wege gegangen. Den Wasserlauf könnte man mit ganz wenigen Steinquadern so herrichten, dass er trockenen Fußes passierbar ist. Solche Stellen gibt es ganz oft, auch auf diesem Camino. Wo ist also das Problem? - Nein, es liegt auch nicht an einer Bar oder sonst etwas, wo man die Pilger vielleicht unbedingt hinführen möchte, weil da ist nix! - Tut mir leid, aber DAS verstehe ich nun wirklich nicht!

 

 

Mit leider nur zwei, drei Schritten habe ich wieder Boden unter den Füßen und lande schließlich und viel zu schnell auf einer Wiese, auf der ich mich erst einmal niederlasse und meine klatschnassen Socken gegen die von gestern tausche, die vom Waschen noch ein bisschen feucht sind. Dann liege ich in der Sonne und denke: Ja!

 

Die Eieruhr läuft ab!

 

Leider geht der Tag nicht ganz so glücklich weiter: Jetzt kommt zwar ein wunderschöner Streckenabschnitt, der von Corredoira zu Corredoira (alte Ochsenkarrenwege, die wunderschön durch den Wald führen) hüpft.

 

 

 

 

 

Kalte Dusche!

 

Die private Unterkunft ist completo und die Dame nicht wirklich hilfsbereit bei der Suche nach "any other options". Sie nennt mir zwei Hotels, empfiehlt mir jedoch, dort anzurufen und als ich feststellen muss, dass ich kein Netz habe, weißt sie mich darauf hin, dass ich 0034 für Spanien vorwählen muss Hab ich natürlich gemacht, aber wo kein Netz ist, ist auch mit der Vorwahl keins. Ihr Rat für diese Situation: Ich möge dem Camino nach oben folgen uns es dort noch einmal probieren. Und ich hätte sie halt vorher anrufen sollen. Ich erklärte ihr, dass ich das getan hätte, hätte ich ihre Nummer gehabt und bat sie, sie mir zu geben. Es dauerte noch eine kleine Diskussion lang, bis ich schon soweit war, auf diese Information zu verzichten und meinen Zettel wieder einsteckte, da rückte sie mit einer Festnetznummer! raus. Na, denkt ihr jetzt auch, was ich gerade denke? Und hatte ich schon erwähnt, dass die Dame Engländerin ist und wir von daher keine Sprachprobleme haben? - Vielleicht gehört sie zu einem ausgewanderten Zweig direkter Nachfolger des Conde do Lemos, vielleicht hat sie sich einfach nur an die monfortische ... Lebensweise angepasst, ich weiß es nicht. Als sie dann auch noch dazu übergeht, mir IHR Leid klagen zu wollen, MIR, die über 30 km unter den Sohlen und noch kein Bett hat, MIR, bei der sie so gar nicht auf die Idee kam, dass sie mir in MEINEM "Leid" helfen könnte, versagen mir die Worte ... einer höflichen Entschuldigung und so verabschiede ich mich wortlos, unhöflich, aber meiner Meinung nach durchaus angemessen.

 

In sicherer Entfernung finde ich einen netten Baum, der sich sicher noch sehr lange an eine Furie von deutscher Pilgerin erinnern wird, die Wörter auf Lager hatte - fragt nicht nach Sonnenschein! Nein, Sonnenschein ist gerade aus! Sonnenschein! Ha! Dass ich nicht lache! Es wird abend und ich habe kein Bett! DAS IST NICHT SONNENSCHEIN!

 

Sauna!

 

Zum Glück treffe ich bald Einheimische, zwei Damen und einen älteren Herrn, die sich meiner in einer Art und Weise annehmen, dass ich "Augenwasser kriege" (ich liebe diesen Ausdruck): Ja, da gibt es zwei Hotels, sagt die eine Dame, aber sie ist nicht sicher, ob die noch Platz haben. Ich reiche ihr mein Handy und bitte sie, für mich dort anzurufen. Sie guckt mich erst ein bisschen befremdet an und fängt dann lauthals an zu lachen: Handy? Hahaha! Das glaubst du doch selbst nicht! Hier gibt es kein Netz!!

Sie greift in die Tasche ihrer Kittelschürtze und fischt ein Telefon heraus und - schwups - bringt sie für mich in Erfahrung ... dass beide Hotels ausgebucht sind.

 

sei dich nicht sicher, ob die noch Platz hätten. Ich bat sie, für mich anzurufen, und hielt ihr mein Handy hin. Sie schüttelte aber den Kopf, das würde hier nicht funktionieren,  kruschelte ein Telefon aus der Kittelschürtze und telefonierte. Beide Hotels ausgebucht.

 

Eisdusche!

 

Könnt ihr euch vorstellen, wie mir jetzt gerade zumute ist? Jajaja, ich weiß,  ich bin sehr blauäugig losgelatscht und hätte mich rechtzeitig kümmern müssen. Das ist mir in diesem Moment auch klar und das, was da gerade aus mir heraus will, ist nicht nur Müdigkeit, Erschöpfung und Hilflosigkeit, sondern ganz viel Ärger über mich selbst. Ich bin halt manchmal viel zu ... sehr davon überzeugt,  dass sich schon alles irgendwie richtet. Vielleicht bin ich auch einfach nur von meinen Caminos verwöhnt worden und kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass es schwierig weren könnte. Freilich bin ich dann ein bisschen ...

 

Die beiden Damen verschwinden im Haus und weil ich gerade nicht weiß, was ich machen soll, will ich auch weitergehen ... um mir ein stilles Ecklein zu suchen, in dem ich mich ein bisschen selbst bemitleiden kann. Aber der Herr hält mich fest und nimmt mir erst einmal den Rucksack ab und schickt mich in den

 

 

 

Ruheraum!

 

Ich soll mich erst einmal hinsetzen und durchatmen. Und weil ich gerade eh nicht weiß, was ich machen soll, mache ich einfach das, was er mir sagt.

 

Kurz darauf kommt eine der Damen (die mit ohne Kittelschürze) zurück und reicht mir ein Glas Wasser: Ich müsste erst einmal trinken. Punkt. Und ich denke: Gute Idee, dann ist da auch wieder Flüssigkeit in mir, das macht viel "Augenwasser".

 

Kurzes Zwischenschwitzen.

 

Dann kommt die andere Dame und strahlt: Sie hat ein Hotelzimmer für mich organisiert!

 

 

Ich schaue sie glücklich an: Ich habe ein Bett! Unglaublich! ... Aber ... wo denn? Hier ist weit und breit nur galicisches Hinterland und ... sonst ... nix.

 

Ach, meint sie, das sei gar nicht weit, nur 7 km!

 

Eisdusche.

 

7 km? 7 km! Wenn man ein Auto oder zumindest ein Fahrrad hat, ist das wirklich keine Entfernung. Wenn man aber zu Fuß unterwegs ist, sind das fast zwei Stunden! Es ist nach 19.00 Uhr, ich habe gut und gerne einiges mehr als 30 km unter den Sohlen, ich bin müde und gehe ganz bestimmt nicht mehr 7 km (!) mal eben - palimpalim - mit einem beschwingten Hüpfen!

 

Sauna.

 

Was dann kommt, kann ich gar nicht wirklich beschreiben. Während ich dasitze wie ein Häufchen Elend und nicht weiß, ob ich in meiner Verzweiflung gerade lachen oder weinen soll, entfacht sich um mich herum eine lebhafte Diskussion darüber, wer von den dreien mich jetzt zum Hotel fahren darf! Könnt ihr euch DAS vorstellen?: Die streiten darum, wer mich fahren darf! Ich begreife es erst gar nicht und denke nur, warum die denn jetzt gerade alle so lebhaft sind.

 

Aufguss!

 

Am Ende sitze ich mit allen dreien in einem Auto und kriege während der Fahrt dann auch noch hochrote Ohren, weil die Dame mit der Kittelschürze und dem Telefon plötzlich deutsch mit mir spricht! Also, dass sie mit mir spricht, ist ja nicht schlimm, ganz im Gegenteil, aber umgekehrt hat sie ja auch all das, was ich vorher so nicht eben leise vor mich hingebrummelt habe, auch verstanden! Und das ist mir jetzt gerade schon ziemlich peinlich! Wenn man denkt, dass einem eh niemand versteht, brummelt man halt auch Dinge, die würde man sich sonst nur denken!

 

Die 7 km stellen sich dann als 7 spanische Kilometer heraus (tatsächlich sind es mehr als 10!), aber dann rauscht die Dame in Kittelschürze mir voraus in das Hotel im nächsten, "größeren" Ort, wo ich schon erwartet werde. Außer mir gibt es keine Speisegäste, aber für mich heizen sie gerne die Küche an! ... was aber gar nicht notwendig ist, weil mir gerade so krusselig im Bauch ist, dass ich selbst an meinem Salat mit Thunfisch hart zu knabbern habe, bevor ich nach einer

 

Fertigdusche

 

totmüde, für den Moment glücklich, aber mit einem ängstlichen Blick auf morgen, wenn ich die ganzen 10 km ja auch wieder zurückgehen muss, ins Bett falle.

Diese drei Menschen - wenn man solche Menschen treffen darf, das ist ein bisschen so, als würde man tatsächlich Engeln begegnen ... von denen einer eben statt eines weißen, flauschigen, wallenden Gewandes eine Kittelschürze trägt.