Quiroga - A Pobra de Brollón

 

Wie schön, dass es in Quiroga zwei Bars gibt, die schon morgens geöffnet haben! Ich gehe sonst manchmal ohne Frühstück los, weil mir so früh am Morgen einfach noch nicht nach essen ist, habe dann aber oft das Problem, dass die nächste Einkehrmöglichkeit erst gegen Mittag kommt - eine ganz schlechte Idee für jemanden, der morgens einfach seinen Kaffeee braucht! Im Laufe der Jahre habe ich gelernt: Nimm jede Tasse dann mit, wenn du sie kriegen kannst! Der nächste Ort ist zwar nicht weit, aber so habe ich, frisch koffeiniert, wie ich bin, die Möglichkeit, eine Wegalternative auszuprobieren und statt durch die Stadt am Fluss entlang zu schlendern, der so früh am Tag genauso träge neben mir herfließt, wie ich mich gerade fühle.

 

Am Kirchlein Ermida Nosa Senora dos Remedios holt mich auch meine amerikanische Zimmergefährtin wieder ein. Wir machen gemeinsam Brotzeit und verabreden uns eigentlich für später in einer Pension ganz in der Nähe der mittelalterlichen Brücke Ponte da Barxa.

 

Nun sollte man ja denken, dass eine Brücke unten ist, das ist diese auch ... allerdings hinter einem Hügel. Also geht es bergauf und dann eben auch wieder hinunter.

 

Vor meinen Caminos recherchiere ich ja immer ganz viel über die Wege und suche vor allem auch kleine, nette Geschichten. Diese Brücke ist so alt, so schön und schreit geradezu nach einer Legende, aber ich habe leider keine gefunden, nur einen Hinweis darauf, dass auf ihr einmal ein König dahergekommen sein soll. Punkt. Das war's. So wenig Romantik für so ein romantisches Plätzchen!

 

Es ist gerade mal 12 Uhr vorbei und mir noch so gar nicht danach, hier schon zu bleiben. Ich hatte gelesen, dass es in A Pobra de Brollón die Möglichkeit gibt, in einer Turnhalle zu übernachten.

 

Es kostet mich schon ein bisschen Überwindung: Außer meiner Mitschnurchelerin sind nur die drei spanischen Jungs um mich herum auf dem Camino und sie übernachten alle in Barxa. Das heißt folgerichtig: Wenn ich weiterlaufe und tatsächlich in der Turnhalle unterkomme, werde ich dort alleine sein. Das ist mir schon ein bisschen gruselig, aber notfalls gehe ich einfach weiter nach Monforte de Lemos ... oder fahre mit einem Taxi hin und morgen früh wieder zurück ... oder ... Ach was, irgendetwas wird sich schon finden!

 

Der Camino führt den nächsten Buckel hinauf und dann über eine ziemlich lange Hochebene, mal durch Pinien, überwiegend aber durch Felder und Wiesen. Und eine Wiese blinzelt mir so verführerisch zu, dass ich gar nicht anders kann, als auf ihr eine kleine Siesta zu halten. Schließlich bin ich hier in Spanien und muss mich schon ein bisschen an die hiesige Lebensweise anpassen!

 

Die Frische, mit der ich nach diesem Päuschen weitergehe, verfliegt allerdings schon sehr bald wieder und ich merke, dass ich es mir abschminken muss, Monforte noch heute zu Fuß zu erreichen. Hm. Vielleicht hätte ich doch lieber ... - Ach was! Hallo! Mut zur Lücke! Bis jetzt war es auf allen meinen Caminos so, dass sich schon irgendwie eine Lösung gefunden hat, also krüddel nicht in der Gegend herum, sondern guck, was wie geht!

 

Und es geht:

Ich möchte mich ja jetzt nicht in irgendwelche spirituellen Höhen schwingen und von Begegnungen mit Engeln oder dem lieben Gott höchstselbst erzählen, die mir, umgeben von einem Strahlenkranz und mit einem wohlwollenden Lächeln über der Erde schwebend, den Weg weisen ... aber manchmal denke ich, das Heilige Jaköbchen ist irgendwie doch zumindest so ein ganz kleines bisschen an meiner Seite. In A Pobra stoße ich jedenfalls mit der Nase genau auf und in eine Bar und als ich meinen Café con Leche bestelle, spricht mich ein Herr am Tresen an und überschüttet er mich mit einem Wust an Worten, die mir wahrscheinlich sagen sollen, dass die Albergue hier das letzte Loch ist, in dem die Kakerlaken mit den Bettwanzen auf den Tischen und Matratzen Samba tanzen und ... Aber das ist jetzt gerade wurscht, weil ich verstehe nur zwei Wörter:Albergue und aqui. Was auch immer der Rest seiner Mitteilung war, es interessiert mich nicht. Albergue aqui - das ist alles, was gerade für mich zählt. Und rein zufällig hat er die Nummer des Hospitaleros in seinem Handy und am Ende muss ich mich schon ein bisschen mit Trinken beeilen, denn der Hospitalero ist schon ganz bald da und bringt mich mit dem Auto zur etwas außerhalb gelegenen Sporthalle, in der von der Gemeinde ein Umkleideraum mit Stockbetten für Pilger eingerichtet wurde. Ist das nicht lieb?!

 

Und nein, ich bin auch nicht alleine dort. Das Heilige Jaköbchen scheint heute Langeweile zu haben und schickt mir erst einmal eine Volkstanzgruppe, der ich ein kleines Weilchen zusehe. Ich muss ein bisschen in mich hineingrinsen, denn als ich so 10 Jahre alt war, bin ich auch in einer solchen Gruppe mitgehüpft. Und Hallo!, zu irgendeiner Jubiläumsveranstaltung waren wir - Hacke, Spitze, Hacke, Spitze, Schritt, Schritt, Hacke, Spitze, Hacke, Spitze, Schritt, Schritt, Doppelschritt, Doppelschritt, eins, zwei, drei, vier (Drehung und Partnerwechsel - ich weiß es noch ganz genau!) - die Anheizer für Cindy & Bert! Ich war damals die Einzige, die statt weißer rosa Kniestrümpfe trug. Hier bin ich nach wenigen Minuten die Einzige, die aber auch so was von gar keinem Plan von der richtigen Schrittfolge hat, aber weil mir die Menschen gar keine andere Wahl lassen, als mich zum Affen zu machen, mache ich es eben und gebe mein Bestes.

 

Später kommt noch ein spanisches Pärchen, das auch hier übernachtet. Per Handy-Übersetzer fragen sie mich, ob es für mich in Ordnung ist, wenn sie einen Film gucken, der "ein kleines Geräusch" macht. Jetzt muss ich doch mal lachen: Kinders, ihr glaubt ja gar nicht, was ich heute Nacht für "kleine Geräusche" von mir geben werde ... und das ganz mit ohne Film!