A Rúa (Fontei) - Quiroga

 

Heute führt mich der Weg auf 26,6 wunderschönen Kilometern nach Quiroga, aber dass diese Etappe so schön ist, weiß ich ja erst hinterher. Als ich starte, ist mir einfach nur gruselig im Bauch. 26 km sind jetzt nicht sooo zu viel für mich, ich gehe auch gerne weitere Strecken, aber einfach lieber mit einem Notausstieg in eine Herberge. Die wird es aber unterwegs nicht geben, so dass ich am Ende eben in Quiroga ankommen muss, egal wie.

 

Aber es ist alles trotzdem erst einmal nur halb so schlimm, denn ich habe supergut geschlafen und bin absolut ausgeruht, frisch und so guter Dinge, dass mich auch der Asphalt nur am Anfang ein bisschen nervt. Nach knapp 3 km wird die Straße aber schmal und ich werde nicht auch nur durch ein einziges Auto gestört, sondern kann aus vollem Herzen die Blicke auf den Sil genießen.

 

Und ich halte alle paar Minuten an, weil sich hier wer auch immer echt etwas einfallen lassen hat: Der Weg ist gesäumt von bunten Bildern! Und ich fotografiere jedes einzelne von ihnen! Als ich ins Dörfchen Os Albaredos komme, kann ich mir denken, wo der Künstler wohnt, denn hier hängen in allen Ecken und Winkeln jene seiner Werke, die er wohl unterwegs wirklich nicht mehr hat anbringen können. Es ist unglaublich!

 

 

In Montefurado finde ich direkt vor der für dieses Dorf viel zu großen und leider auch ziemlich ramponierten Kirche eine Wasserstelle und eine Ruhebank "por todos", für alle, und weiß sofort, dass das auch für mich gilt, lasse mich auf ihr nieder und genieße einfach nur den Augenblick.

 

Natürlich bin ich irgendwie immer Pilger,auch daheim. Schon mein erster Camino hat in mir ein Gefühl geöffnet, das ich total genieße. Wenn ich unterwegs bin, bin ich ein Pilgerer, also ein pilgernder Pilger. Manchmal, wenn ich so vor mich hinlatsche, bin ich mit meinem Kopf ganz weit weg von diesem schönen Gefühl, weil ich einfach Gedanken wälze, die ich daheim schön ordentlich unter einer Decke verberge. Aber manchmal, so wie jetzt, da ist da .... so eine Wärme in meinem Bauch, die kann ich einfach nicht beschreiben.

 

Nach dem Ort steige ich auf einem Weg bergan, der wohl von den Römern als Wasserzufuhr für die Las Médulas in das Gestein geschlagen wurde. Mir machen solche so alten und ursprünglichen Strecken immer ein kleines krüddeliges Gefühl und ich frage mich, wie viele Mensch hier wohl schon wie gegangen sein mögen.

 

Von oben kann ich in einem Mäander des Sils ein weiteres Überbleibsel der Toga-Träger entdecken:

 

Den "Boca do Monte", Schlund des Berges, der ebenfalls zur Wasserversorgung der Goldminen der Las Médulas angelegt wurde.

 

Als ich im Vorfeld zu meinem Camino so vor mich hinrecherchierte, dachte ich mir schon, dass die Römer schon einen ziemlichen Aufwand betrieben haben müssen, um das Edelmetall aus der Erde zu waschen, aber jetzt, woich hier so stehe, ist es einfach nicht mehr abstrakt, sondern ganz klar greifbar. Schluck.

 

 

 

Der nächste Höhepunkt der heutigen Etappa ist die Ölmühle Almazara de Aceite mit der Kapelle Ermita San Xoán das Farrapas.

 

Die von euch, die sich schon einmal die Kathedrale von Santiago de Compostela näher betrachtet haben, kennen die Steinwanne auf dem Dach mit dem Agnus Dei, dem Lamm Gottes, und dem Kreuz Cruz dos Farrapos (warum das eine weiblich und das andere männlich ist, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht), dem Lumpenkreuz und ganz ähnlich wie dort wurden auch hier die alten Kleidungsstücke der Pilger und Reisenden verbrannt, die im Laufe des Weges ... sagen wir mal: ein gewisses Eigenleben entwickelt hatten. - Ich denke mir, im Mittelalter hatten gerade die Orte entlang des Caminos durch die Mitbringsel der Pilger, die ja aus allen Herrenländern angewatschelt kamen und oft mehr Leben mit sich trugen, als ihnen lieb war, schon so ihre Schwierigkeiten mit Krankheiten und Ungeziefer. Denkt mal nur an den Schwarzen Tod: Wer sich da fünf Tage zuvor einen Rattenfloh eingefangen hatte, trug die Pest fröhlich in die Welt hinaus.Man schlief sitzend, damit das Getier einem nicht in Mund, Nase und Ohren kroch, heute empfinden es einige Menschen schon als unangenehm, sich gegenseitig die Hand zu reichen. So ändern sich die Zeiten!

 

 

Als ich später das Dorf O Soldón verlasse, verlasse ich mich auch auf Petrus und sein Wohlwollen und bin schließlich verlassen und sehr bald ziemlich nass, denn die Wolken, die eben noch gerade mal grau waren, öffnen sich kurz aber nicht unheftig. Naja gut, mit etwas Vernunft hätte ich mir ja rechtzeitig ein geschütztes Plätzchen suchen können, allerdings gehört diese Eigenschaft nicht unbedingt zu meinen Stärken.

 

Aber es ist auch gar nicht schlimm, denn nun kommt ein Streckenabschnitt, der für mich zu den allerschönsten auf diesem Camino gehört.

 

Hinter Os Novais wechseln die gelben Pfeile auf diesen wunderschönen Pfad, der durch uralte Kastanien und Eichen zu einem Flussübergang führt, an dem hätte in Deutschland jedes Ordnungsamt seine helle Freude: Völlig unbebrüstet führt ein Betonsteg wunderschön über zugewuchertes Nichts und geht so weiter ....

 

Ist das nicht klasse? - Ich liebe es!

 

Weil ich es mir hier auf einem schon wieder fast ganz trockenen Stein gemütlich mache, überholen mich - tripp, trapp, trupp - die drei Spanier, die ich schon vom Weg nach Sobradelo kenne, und meine amerikanische Mitpilgerin, die ich kurz vor Quiroga wieder einhole. Wir haben uns inzwischen schon so aneinander gewöhnt, dass uns sicher ohne das Geschnarche des anderen die Nacht nicht halb so schön wäre. Wir bleiben in der Jugendherberge, bekommen ein Betreuerzimmer, das voll stylish mit Palettenmöbeln eingerichtet ist!