Ponferrada - Borrenes

Los geht's!  

 

Immerhin fühle ich mich nun doch etwas sicherer, weiß ich doch seit dem Abendessen gestern in der Herberge, dass ich nicht ganz alleine sein werde auf diesem Camino. Eine sehr nette Amerikanerin geht ihn auch und weil sie so froh war, nicht alleine zu sein, bot sie mir sn, das nächste Zimmer mit ihr zu teilen, und weil ich so froh war, nicht alleine zu sein, habe ich ihr Angebot nur zu gerne angenommen.

 

Lostruddeln tu ich allerdings alleine, was mir einfach am liebsten ist. Ich habe so viele Punkte auf meiner Liste, auf die ich achten möchte. Wenn mich jemand sieht, wie ich ständig anhalten und Notizen oder Fotos mache, komme ich mir komisch vor. Selbstverständlich wird es auch über diesen Weg einen Bauchfüßler geben. Aber dazu muss ich ihn ja erst einmal gehen.

 

 

 

Außerdem quatsche ich mich beim Frühstück noch mit einem sehr interessanten älteren Italiener fest, der ziemlich gut deutsch spricht. Er ist schon über 80 Jahre alt - behauptet er zumindest. Vom Aussehen her würde ich sagen, er hat da das eine oder andere Jahr dazugeschwindelt. Er lässt seinen Rucksack transportieren, geht nur sehr kurze Etappen, weicht, wenn es ihm reicht, auf ein Taxi aus und überspringt auch hier und da eine Wegstrecke, aber es zieht ihn immer wieder auf den Camino Francés.

 

Ich glaube, das ist einer der Gründe, warum ich immer wieder auf den Camino gehe, um Menschen wie ihn kennenzulernen.

 

 

Die ersten Kilometer sind auch noch einfach und führen durch diesen grandiosen Hohlweg und über eine mittelalterliche Brücke zu einer ersten Bar in Toral de Merayo. 

 

Wenn ich etwas gelernt habe auf meinen Caminos, dann ist das, dass man jede, aber auch wirklich jede Gelegenheit für einen Café con Leche beim Schopf ergreifen muss. Immerhin habe ich hier auch schon 5 km unter den Sohlen und bin schon ein bißchen stolz auf mich.

 

Kaum habe ich es mir bequem gemacht, kommen zwei weitere Pilger an. Oh wie schön!, denke ich, muss aber sehr schnell feststellen, dass sie voll und ganz mit sich selbst beschäftigt sind. Schade.

 

 

Es geht auch erst noch ganz bequem weiter und mit sehr netten Aus- und Weitsichten, durch Plantagen mit Kirschbäumen, deren Früchte gerade am allerleckersten schmecken, bis die gelben Pfeile in Richtung Villavieja zeigen.

 

Da ist es etwa 13.00 Uhr, ich habe tolles Wetter, es geht nicht eben gemütlich bergauf und das fast ganz mit ohne Schatten. Okay, das kann ja so schlimm nicht werden ... denke ich. 

 

Wenn ich hier Casino de Inferno ... - genau das kommt dabei heraus! Mein Handy weigert sich hartnäckig das zu schreiben, was ich mühsam in es hinein tippe. Wobei, also das mit dem Inferno, das ist schon ein bisschen ziemlich passend für diesen Wegabschnitt, für mich zumindest und heute und pustend und brustend vor mich her geschnauft. Das mit dem Casino allerdings ...

 

Da hilft nur: Hier ein Päuschen, dort ein Verschnauferchen, eine kleine Siesta in einem der karg gestreuten Schatten ... .... und sich am Ende oben an einem Brunnen von Spaniern mit Orangen, Kirschen und einer undefinierbaren Masse aus Honig, Mandeln und .... was auch immer füttern lassen! Die Jungs haben echt Spaß,  während ich damit kämpfe, trotz Kollaps meine aufrechte Haltung nicht zu verlieren.

 

Eigentlich hatte ich vor, dort oben in der Herberge zu bleiben, aber nun bin ich doch froh, ein Bett weiter unten zu haben. So ganz alleine in einer Herberge irgendwo im nirgendwo ist schon ein bißchen gruselig.

 

Ich habe ja auch wieder frische Kraft und das letzte Stück bergauf zum Castello Cornatel ist auch nicht mehr lange und Dank uralter und wunderschöner Kastanien, von denen ich jede einzelne fotografiere, sehr, sehr kurzweilig.

 

 

 

 

Leider ist die Burg bei meinem Ankommen geschlossen, so dass ich nur ein bisschen durch das Türgitter lunsen kann. Hm. Schade.

 

Bergaufwege ziehen ja bekanntlich meist Bergabwege hinter sich her, weil wenn das nicht so wäre, würden wir ja irgendwann im Weltall landen. Dementsprechend bequem watschele ich dann also vor mich hin nach Borrenes. Leider verläuft der Camino ausschließlich auf Asphalt, was ich ja so schon nicht gerne mag. Bei Wetter wie heute wirkt er noch ein bisschen wie ein Backofen mit Ober- und Unterhitze; die Umluftfunktion (ein bisschen ein blasendes Lüftchen) ist leider ausgeschaltet, dafür gibt es aber auch keinen Schatten.

 

Umso besser schmeckt mir unten mein Café con Leche.

 

Meine Fütterer von Vilavieja sitzen dort auch in der Bar und jetzt muss ich doch mal lachen: Ein Herr mit sehr imposanter Gesichtsbehaarung will mich Dank einer sehr bekannten Übersetzungsapp etwas fragen: Warum hast du eine Rohrzange in deinem Kofferraum? Dabei deutet er fragenden Blickes auf meine Füße. Ich schiebe schnell meine Fragezeichen wegen seiner übersetzten Frage in eine Ecke und verstehe sofort was er meint. Ja, meine Lieben, ich sag es ja immer: Ein nettes Gesicht, Hände und Füße sind besser als jede Sprachkenntnis! Und ich brauche auch keine App um ihm mit einem Zeig auf meinen Ehering zu verklickern, dass ich die von meinem Angetrauten habe, und die Worte für Geschenk (regalo) und vor ein paar Jahren (unos anos passados) kriege ich auch noch hin - wenn auch mit Sicherheit nicht in der richtigen grammatikalischen Reihenfolge und Form, aber das interessiert im Moment weder ihn noch mich. Wir verstehen uns prima. Wir umarmen uns noch einmal, denn mein Verpflegungstrupp zieht weiter zu den Las Médulas ... und so ein bisschen würde ich gerne mit ihnen gehen, aber mit diesem Tempo kann ich nicht mithalten.