Ponferrada

So, ich bin da! Ich glaube, das Herkommen war das Schwierigste vom ganzen Camino. Gestern bin ich spät in Santiago gelandet, aber vom Busbahnhof zu meiner Erstenachtherberge sind es ja nur 5 Minuten und wir sind uns schon sehr vertraut.

 

 

Trotzdem hätte ich eine sehr unruhige Nacht. Aber an der war alleine meine Nervosität schuld, was voll plöd ist, weil ich so noch nicht einmal über jemanden schimpfen kann. Totmüde, wie ich war, bin ich einfach zu keiner Ruhe gekommen und als ich dann endlich aufhörte, an den Knoten in meinem Kopf zu herumzuknüddeln, wachte ich alle paar Minuten auf und hatte total Angst, meinen Bus zu verschlafen.

Dabei wusste ich natürlich, dass ich mich auf meine Mitschnurcheler verlassen kann. Pünktlich um kurz nach 6.00 Uhr wird es unruhig und um 7.15 Uhr stehe ich geduscht, geschniegelt, gebügelt und geschnürt am Busbahnhof und kämpfe mit einem Ticketautomaten, den ich mit italienischer Unterstützung dazu bringen kann, eine Busfahrkarte auszuspucken. Ich kann diese Dinger gar nicht leiden: Die sprechen nicht mit mir, haben keinen Tonfall, den ich ja meistens besser verstehe als die Worte, ich kann ihn zwar freundlich anlächeln, aber das bringt mir rein gar nichts, und so muss ich an kryptischen Schriftzeichen erkennen, was ich machen soll - nein, das ist nix für mich! Aaaber am Ende halte ich doch einen Zettel in der Hand, auf dem steht, dass ich mit dem Bus fahren darf. Na bitte!

Der Busfahrer ist zum Glück kein Automat und erwidert mein Lächeln trotz Sonntag, früher Stunde und ganz vieler anderer Pilger. Zwei von ihnen sind leider nicht ganz so freundlich und machen ein bisschen Stress, weil sie auf gar keinen Fall einsehen wollen, ihre Rucksäcke unten in den Gepäckraum zu wuchten. Ich muss ein bisschen grinsen, weil es mir beim ersten Mal, als ich meine mir heilige Kiepe ganz unbewacht unten hineinlegen sollte, ganz ähnlich ging. Inzwischen ist es für mich zu einer Selbstverstänlichkeit geworden: In Spanien reisen Rucksäcke unten. Punkt. Und ich gucke auch nicht mehr immer argwöhnisch aus dem Fenster, wenn der Bus anhält und Menschen aus- und einsteigen, ob auch niemand mit meinem Gepäck davon marschiert ... nur noch manchmal. 

Es folgt eine schier endlose 4-Camino Rundfahrt, erst nach A Coruna, Camino Inglés, nach Lugo, Camino Primitivo, nach Ponferrada, Camino Francés, damit ich mich auf den Camino Invierno machen kann. - Heideröslein!

 

Den Weg zur Templerburg habe ich schnell gefunden und stellte meinen Kaffeedurst noch einen Moment zurück, weil die Burg gerade geöffnet ist. Diese Gelegenheit will ich mir nicht entgehen lassen!

 

 

 

Ich war schon zwei Mal in Ponferrada, habe die Burg aber immer nur von außen genossen. Heute soll das anders sein und ich muss sagen: Es lohnt sich Für Pilger ist der Eintritt ermäßigt, ich darf meinen Rucksack am Ticketschalter lassen und kann so ganz unbeschwert einen Rundgang machen.

 

Bevor ich einen Camino starte, mache ich mir immer ganz viele Gedanken: Gehe ich gleich los? Bleibe ich? Wie gehe ich los? Wie weit gehe ich? Schaffe ich das auch? - Ich stelle mich immer total unter Druck, so typisch aus dem Alltag heraus. Schließlich will ich so schnell wie möglich so viel wie möglich sehen, nichts verpassen, was ich vielleicht in meinem Bauchfüßler erwähnen sollte. So ein Quatsch!

 

Zum Glück gehöre ich aber auch noch immer zu den Pilgern, die irgendwann am zweiten oder dritten Tag irgendwo ein Eckchen suchen müssen, um alleine zu sein, weil da dann dieses Gefühl kommt, das man so gar nicht beschreiben kann, dieser Ichbinangekommen-Moment, dieses Ichbinaufdemcamino-Gefühl, das so .... Das geht nicht zu beschreiben, darum probiere ich es gar nicht erst, aber ich bin mir sicher, ganz viele von euch wissen genau, was ich meine.

Nun ist ja heute noch gar kein Lauftag und ich muss mich schon noch ein bisschen gedulden, bis das Gefühl kommt, also kämpfe ich nun hier erst einmal mit meiner Unruhe. Obwohl es nach der Burgbesichtigung vom Verstand her eh zu spät ist, loszulaufen, muss ich mich regelrecht dazu zwingen, in Ponferrada zu bleiben.

 

Was macht man, in einer solchen Situation? - Ja freilich, man sucht sich ein nettes Kaffee, schlabbert einen leckeren Café con leche und überlegt sich, wo man wohl die Nacht verbringen soll.

 

Ich weiß, dass es hier früher nur eine einzige Herberge gab, aber das hat sich inzwischen geändert. Ich habe mir, weil ich mich ein bisschen einsam und noch nicht als Pilgerer  fühle, die mit einem gemeinsamen Abendessen ausgesucht und verbummele den Rest des Tages in der Stadt.

Beim Abendessen fühle ich mich dann doch erst noch ziemlich falsch am Platz: Die anderen haben alle schon lange Strecken des Camino Francés hinter sich und kennen sich untereinander, können sich austauschen und sind ruckzuck in einem lebhaften Gespräch ... an dem ich leider nicht teilnehmen kann. Selbstverständlich kenne ich den Weg und meine Ohren blitzen hier und da bei Orten oder Herbergen auf, aber meine Erinnerungen haben nichts mit den Menschen hier zu tun, deren aber umgekehrt nichts mit mir. Hm.

 

Wir sind schon am Ende der Hauptspeise, als noch eine Amerikanerin ankommt und sich zu uns setzt uuuuund, haltet euch fest und stellt euch mein Gesicht vor: Sie geht auch den Camino de Invierno! Ha! Ich bin nicht mehr allein! Sie gibt sich auch ganz viel Mühe, mir alles zu erklären, was sie über den Weg weiß. Und sie läd mich ein, morgen das von ihr gebuchte Doppelzimmer mit ihr zu teilen. Ist das nicht klasse?!!!

 

Jetzt liege ich im Bett und kann Dank einem Gläschen Wein und des netten Gesprächs hoffentlich besser schlafen. Und morgen geht es dann wirklich los. 

 

 

 

 

Eigentlich wollte ich mit einem Umweg durch das Valle de Silencio beginnen, aber 40 km für den ersten Lauftag ... hätte ich gerne teilen wollen, was aber zwei Taxifahrten von je 40 - 50 € bedeutet hätte. Hm. Das sind 2x 40 - 50 Tüten Gummibärchen! Das reicht für drei Wochen! Und bei 2 Tagen extra hin ich mir nicht sicher, ob ich rechtzeitig in Santiago sein werde. Also ... war es ein interessanter Gedanke, der genau das bleibt.

 

Ich bin auch so total gespannt auf den Weg!